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Uhus im Braunfelser Schloss

(Bubo bubo – eagle owl) – Die erste Gebäudebrut im Kreis!

Zur Vorgeschichte

Bernd Rosenkranz, Hausmeister im Braunfelser Schloss, hörte im Januar/Februar 2007 erstmals Uhus rund um das Braunfelser Schloss. Am 10 März rief er dann einige Naturschützer, die mit ihm gemeinsam in der Braunfelser Arbeitsgemeinschaft Natur/AGNU aktiv sind zusammen, um ihnen die Uhubalz vorzustellen. Joachim Bernecke, Friedrich-Wilhelm Georg, Heinz Keller und Horst Ryba kamen in den Abendstunden im Schloss zusammen und konnten beide Uhus hören und beobachten. Die ersten Kopulationsversuche, die beobachtet wurden, endeten jedoch augenscheinlich durch die Unerfahrenheit der Eulen mit regelrechten Abstürzen, so z. B. von der Wetterfahne des Bergfriedes. So erfolgte in diesem Jahr 2007 auch keine Brut. Das Pärchen war wohl noch zu jung. Im Herbst 2007 wurde es noch einmal kurz am Schloss gesichtet und gehört (sogenannte Herbstbalz zur Pärchenfindung).

Zur Uhu-Geschichte

Der Uhu galt hessenweit seit 100 Jahren ausgerottet – schon ab dem 18. Jahrhundert als Raubzeug gnadenlos verfolgt, Junguhus für die Hüttenjagd als Köder missbraucht, Verlust seines spezialisierten Lebensraumes durch intensiv vom Menschen genutzte Kulturlandschaft. Durch strengen rechtlichen Schutz, Sicherungen der restlichen Horste (bundesweit vereinzelte Restvorkommen in den bayrischen Alpen, Thüringen und Sachsen) und Auswilderung von Zuchttieren kam es ab Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu einer schrittweisen Wiederbesiedlung durch die Programme der AZWU (Oswald von Frankenberg u. Wilhelm Bergehausen). Heute mag es wieder bundesweit um die 800 Paare geben. Im Lahn-Dill-Kreis zählen wir 10 Reviere aktuell.
1986 kam es wieder zu 2 Bruten im Kreis, eine in Wetzlar, eine in Herborn/Herbornseelbach – beide in Steinbrüchen. (siehe VB 1986). Hierbei handelte es sich nicht um ausgewilderte (also gezüchtete) Uhus, die man an der Beringung erkennen hätte können. (Information hierzu durch Bruno Christe/Oberbiel, der mit seiner DBV/NABU Ortsgruppe aktiv an den Aufzuchtprogrammen beteiligt war.) So war auch über die Herkunft des jungen „Schlossuhupaares“ nichts bekannt, da beide nicht beringt waren.

Äußere Kennzeichen

Uhuweibchen werden bis zu 70cm groß, haben eine Spannweite von bis zu 180cm und werden ca. 2,5kg schwer. Männchen 60-65 cm Größe, Spannweite bis 160cm und 2kg Gewicht. Als nachtaktive Tiere haben Eulen sehr große Augen. Der Augapfel ist bei ihnen so groß, daß in den Augenhöhlen kein Platz mehr für den Augenmuskelapparat bleibt. Deswegen haben Eulen speziell geformte obere Halswirbel, die ihnen eine fast komplette Drehung des Kopfes ermöglichen und hiermit die Starre der Augen ausgleichen.

Lautäußerungen

Die unterschiedlichen Laute waren interessant. Das Männchen dumpf und ohne Nuancen monoton zweisilbig dröhnend – „Buhoo“, das Weibchen recht differenziert heller als das Männchen – jedoch laut und deutlich „Uhu“ oder „Uhjuu“, der oft beschriebene „klassische Balzgesang“ der Uhus. Die Rufe werden teilweise im Acht- bis Zehnsekundentakt aneinandergereiht, sind aber auch oft vereinzelt mit größeren Abständen zu hören. Das Weibchen aber auch oft schnarrend, fast bussardartig miauend antwortend, beschrieben auch als heiseres „Chriää – der Bettelruf. Das ebenfalls verbreitet als Warnruf beschriebene, graureiherartige „Gräck“ war ebenfalls zu hören.
Jungvögel betteln ab etwa ihrer fünften Woche zunehmend laut und ausdauernd mit einem durchdringend heiseren Schnarren. Die Braunfelser Altstadtbewohner lernten diese Laute bestens kennen.

Uhus (Bubo bubo – eagle owl) im Braunfelser Schloss: Die erste Gebäudebrut im Kreis.

Uhus (Bubo bubo – eagle owl) im Braunfelser Schloss: Die erste Gebäudebrut im Kreis.

Fotografische Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit

Der Braunfelser Naturfotograf Dr. Siegmar Bergfeld (www.natursicht.de), dokumentierte mit seinen Fotos das Geschehen und machte es in seinem Uhutagebuch im Internet der Öffentlichkeit zugänglich. Die im Schloss wohnende gräfliche Familie um den Schlossherrn Graf Johannes von Oppersdorff zeigte verständnisvolle Unterstützung und Freude am Geschehen. Später – als die Jungen bereits lange flugfähig die gesamte Umgebung des Schlosses erkundeten, lancierten wir dann auch in der Lokalpresse einen großen bebilderten Artikel, der viel Beachtung fand. Wir gingen das Thema Öffentlichkeitsarbeit und Information der Bürger und Gäste bewusst offen an. Bernd Rosenkranz zeigte praktisch eine Rund-um-die-Uhr Präsenz, Siegmar Bergfeld war wegen der Fotografie und Beobachtung sehr oft im Gebiet, Joachim Bernecke und Heinz Keller waren oft und aufmerksam vor Ort. Unter Naturfotografen und Filmern hatte sich die Sensation einer Uhugebäudebrut rasch herumgesprochen. Manchmal standen 6 oder 7 gebannte Beobachter in gebührenden Abstand unter den gegenüberliegenden Bäumen. Eine Irritation der Altuhus, später auch der Jungen, haben wir nie beobachtet. Die Beobachter, auch immer zahlreiche Braunfelser Bürger, die zu „ihren“ Uhus kamen, verhielten sich durchweg rücksichtsvoll und dankbar gegenüber dem einmaligen Schauspiel und für die Informationen, die ihnen gerne vermittelt wurden.

Das Brutgeschehen

Im Winter 2007/2008 wiederholten sich die Balzrituale – die beiden Uhus waren also im Schloss heimisch geworden. Damit stand der ersten jemals bekannten Uhugebäudebrut im Lahn-Dill-Kreis im Grunde nichts mehr entgegen. Ab Ende Februar/Anfang März wurde eine Zunahme der Balzaktiväten beobachtet und verhört. Der an Lautstärke und Frequenz zunehmende Balzgesang ertönte teils in der Abenddämmerung – ab ca. 19.30 Uhr, manchmal spät in der Nacht – teils in der Morgendämmerung. Auch die bereits bekannten schnarrenden Laute des Weibchens waren wieder deutlich wahrzunehmen. In der zweiten Märzwoche wurde erstmals die Nahrungsübergabe (Igel) des Männchens an das Weibchen im Flug beobachtet.

Ab evtl. dem 21. März begann dann das Weibchen in einer schlecht einsehbaren Mauer(schieß-) Scharte unter der Schlosskirche zum Parkplatz hin das Brutgeschäft. In der Regel lag es entspannt auf der Brut, oft nur als ein „Federhaufen in der hinteren Ecke der Mauernische wahrzunehmen.

4. Mai: Erste fotografische Dokumentation des Uhunachwuchses. Am Boden der Nische waren diverse Federn zu sehen. Im Beobachtungszeitraum wurden Federn von Krähen, Tauben, Dohlen, Falken und der Schleiereule sicher bestimmt. Hauptnahrung waren deutlich Igel in grosser Zahl. Einmal wird ein Kaninchen als Beute beobachtet. Größere Säuger wurden sicher nicht zur Beute! Nur selten und kurz, frühmorgens oder abends spät, zeigten sich die Jungen.
Es waren zwei Junguhus zu beobachten. Die beiden Geschwister lagen von Größe und Konstitution deutlich auseinander. Anzunehmen ist, dass zunächst ein (größeres)Weibchen auf die Welt kam, dann ein Ei, welches abstarb(?), und zuletzt das in diesem Fall physisch deutlich unterlegene junge Männchen.
Ein Alttier und die beiden Jungen gemeinsam zu beobachten, war noch eine große Ausnahme. In der Regel tauchte immer nur ein Vogel kurz am Höhleneingang auf.

10. Mai: Ausnahmsweise wagte sich das Weibchen schon in der frühen Dämmerung aus der Bruthöhle. In der Regel wurden solche Ausflüge mit lautstarken Attacken von Krähen, Dohlen und Turmfalken begleitet. Die Alttiere versuchten dann schnell in eine Deckung zu kommen, wo sie nicht mehr von oben angegriffen werden können.

13. Mai: Tagsüber hielt sich das Männchen häufig in einer Fensternische eines Schlossturmes auf. Sobald es nur einen Schritt nach vorne trat, flogen sofort Krähen und Dohlen lautstark herbei, deren Nachwuchs durch den Uhu extrem bedroht wurde. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hatte man dieses Verhalten insbesondere in der Zugzeit zur Jagd auf Krähen und Greifvögel benutzt. Für die sogenannte Hüttenjagd pflockte man einen Uhu auf einer Jule oder Kruke an. Schon Goethe schrieb: „Will Vogelfang dir nicht geraten, so magst du deinen Schuhu braten“. Hierfür wurden Junguhus aus den Nestern geholt, einer von vielen Gründen für die fast vollständige Ausrottung des Uhus.

29. Mai: Vielleicht ermutigt durch die häufiger draußen sitzende Mutter sprangen die beiden Jungen – noch flugunfähig – aus dem Nest zwölf Meter tiefer in einen innerhalb der Schlossmauern gelegenen unberührten und geschützten Raum. Öfters mussten die Jungen nun massive Regenschauer über sich ergehen lassen, währenddessen ihre Mutter in der trockenen Bruthöhle Unterschlupf fand.

30. Mai: Ungefähr zwei Wochen lang waren die Jungvögel noch flugunfähig und erkundeten zu Fuß einen etwa einhundert Quadratmeter großen Bereich.

9. Juni: Die Bewachung der noch flugunfähigen lebenden Jungen forderte vom Uhuweibchen größte Aufmerksamkeit. Die einzige kurze Abwechslung ist die notwendige Gefiederpflege. Bei Störungen zeigte sich das Uhuweibchen kampfbereit, auf vorbeilaufende Spaziergänger mit Hunden wurden mitunter Scheinangriffe auch beider Alttiere (siehe Kasten Einschüchterungsversuche etc.) geflogen. Es kommt hierbei kein Tier wirklich zu Schaden!

19. Juni: Noch war alleine das Weibchen für die Fütterung zuständig. Es riss die vom Männchen übergebene Beute auf und fütterte das Jungtier häppchenweise. Einzig durch die Live-View Funktion der durch die Gitterstäbe (des oberhalb gelegenen Fotografenplatzes im Schloss) hindurchpassenden Kamera war die einmalige fotografische Dokumentation möglich.
25. Juni: Die Uhujungen konnten jetzt (nach vielen Versuchen) fliegen und steuerten die umliegenden Bäume oder die Schloßmauer in zehn Meter Höhe an. Regenschauer halfen bei der Gefiederreinigung.

1. Juli: Die Jungen hielten sich nun im Schutz in der ehemaligen Brutnische oder Schießscharten unmittelbar daneben auf. Schnell wuchsen sie heran. Der kleinere Uhu kuschelte sich immer wieder mal an sein älteres Geschwister und schmuste mit ihm. Der größere Jungvogel wurde mehrmals beobachtet, wie er eine Fütterung für den Kleineren nachspielte.
Selbst ein großer Uhu ohne Deckung war erstaunlich angreifbar. Am aggressivsten flog der Turmfalke seine Attacken. Auf dem Dach sitzend, hat der Uhu dem wenig entgegen zu setzen.

11. Juli: Sogar eine Amsel versuchte, das Uhumännchen zu vertreiben.

19. Juli: Die beiden Junguhus sitzen oft in den Fichten gegenüber der ehemaligen Brutnische. Die Jungen erschienen zwar durch die Flaumfedern nun größer als die Alttiere, bildeten jedoch zuletzt die relativ großen, typischen Federohren aus. Diese sind jedoch keine Hörorgane. Die eigentlichen Ohren der Uhus liegen seitlich am Kopf unter den Federn versteckt.

Tolle Aufnahmen und Auswertungen: Der Braunfelser Naturfotograf Dr. Siegmar Bergfeld (www.natursicht.de) dokumentierte mit Fotos und einem Uhu-Tagebuch das Geschehen am Schloss.

Akribische Arbeit: Der Braunfelser Naturfotograf Dr. Siegmar Bergfeld (www.natursicht.de) dokumentierte mit Fotos und seinem Uhu-Tagebuch das Geschehen am Schloss.

23. Juli: Schon die Altvögel hatten mit ihren lauten Balzrufen so manchem Schlossbewohner und Anrainer immer wieder den Schlaf geraubt. Auch die Jungen erfuhren mit ihren stundenlangen, lauten Bettelrufen nicht nur ungeteilte Sympathie. Aber die Rückkehr der Natur bedeutet auch in einer naturnahen Stadt wie Braunfels, Kompromisse einzugehen – hier war und ist intensive Öffentlichkeitsarbeit unbedingt notwendig.

28. Juli: Krähen und Dohlen hatten ihre Brut durchgebracht (oder auch nicht) und ließen das Uhumännchen nun weitgehend ungestört. Spielerisch erkundeten die Uhujungen das Schloss, den angrenzenden Kurpark des Luftkurortes, den Stadtwald sowie die Altstadt von Braunfels. Der Radius wurde täglich größer. Sie wurden zwar noch immer mit Nahrung versorgt, holten diese sich ab August irgendwo im Schlossbereich ab und konnten sie schon eigenständig aufbrechen. Demnächst werden sie selbst jagen müssen. Sie verließen das Revier ihrer Eltern um sich in einer Umgebung von höchstens 8o km Entfernung ihr eigenes Revier erkämpfen müssen. Die Eltern konnten sich jetzt erst einmal entspannen und die Naturschützer und Fotografen in Braunfels hofften auf eine Wiederholung im nächsten Jahr 2009.

Zur Brutbiologie

In der Brutbiologie des Uhus spielt das Männchen die Nebenrolle. Von Brutbeginn an bis zum Abwandern der Jungvögel aus der Brutnische und darüber hinaus muss es zwar genügend Nahrung für das Weibchen und die Jungen herbeischaffen. Das Brutgeschäft selber jedoch obliegt allen dem Weibchen. Diese Aufgabenteilung setzte bereits gut zwei bis drei Wochen vor Brutbeginn ein – das Weibchen hielt sich ganz bevorzugt in der Nähe der künftigen Brutnische auf und ließ sich dort auch vom Männchen mit Nahrung versorgen. Das Männchen bezog oft – auch während der Aufzuchtzeit – Posten in einer der hohen Fichten in der Nähe mit guter Sicht zur Brutnische. Es wurde keinerlei Nistmaterial eingetragen. Im Laufe der Brut sammelten sich aber jede Menge Reste von Beutetieren wie etwa Federn, Knochen und Igelhäute an.

Beutetiere während der zwei Brutzeiten 2008 und 2009

Die unmittelbaren „Nachbarn“ im Schloss zunächst: Dohlen, Turmfalken, Rabenkrähen und Schleiereulen, aber auch Waldkäuze, Ringeltauben, Stadttauben, Elstern, Eichelhäher, Bussarde, Haushühner, eine Schnepfe, Kaninchen, Ratten, Siebenschläfer – und vor allen Dingen (zu vielleicht 80 %) Igel. Grössere Säuger waren keinesfalls dabei; die Bürger hatten teils Angst um ihre Katzen und Hunde, konnten aber beruhigt werden.

Einschüchterungsattacken speziell des Männchens auf „potentielle vierbeinige Feinde“

Zum Ende der Brutzeit hin flog das Männchen verstärkt allabendlich aggressive Attacken auf jeden Vierbeiner, der in der Nähe des Parkplatzes ausgeführt wurde (Später griff wohl auch das Weibchen aktiv ein). Sowohl der große Hund der Schlossbesitzer als auch der Jagdhund des gräflichen Försters, der in unmittelbarer Nähe des Parkplatzes wohnt, wurden Opfer und trugen empfindliche Schrammen davon. Wir gehen davon aus, daß das Männchen alle potentiellen Feinde ihrer Jungen weitgehend aus dem Bereich vertreiben wollte – in dem die Jungen nach dem Verlassen der sicheren Brutnische bis zur Flugfähigkeit herumhüpfen, laufen und flattern würden. Das gelang ihm eindrucksvoll. Schwerere Verletzungen gab es bei diesen „Übergriffen“ jedoch nicht. Wir haben in den Gesprächen mit Anwohnern aber durchaus die Gefahr bemerkt, dass sich ohne gute Information rund um das Thema, sehr leicht auch Züge von Feindseligkeit aufbauen können. Die Naturschützer hatten die Sache aber sehr gut im Griff.

Habitat

Struktur- und artenreiche Kulturlandschaft. Nur in solchen Landschaften wird der Uhu als Offenlandjäger dauerhaft überleben können. Der Optimalhabitat ist ein buntes Mosaik kleinerer Flächen mit unterschiedlichen Feldfrüchten und Grünland, Heckenzügen und Feldgehölzen. Wasser spielt auch eine große Rolle, da er es zum Trinken und Baden benötigt, vor allem aber, weil ihm Flüsse und Seen oder Teiche reichlich Nahrung bieten. Die sich nordöstlich unterhalb des Schlosses befindlichen Braunfelser Weiher und das umgebende, in diesem Abschnitt naturnahe Auenland des Iserbaches waren immer wieder bevorzugtes Jagdrevier der Uhus. Uhus brüten hierzulande bevorzugt an und in Felsen der Mittelgebirge und Alpen. Der Uhu ist hier flexibel. Große, freistehende Felswände werden ebenso besiedelt, wie kleine im Wald gelegenen Felsen. Der Felsen muss aber über eine gute Einflugschneise im Kronendach erreichbar sein. Der Uhu zieht seine Jungen auch auf hoch gelegenen Felsbändern und in Felsnischen auf, wo sie sicher sind vor Fuchs, Marder und Wildschwein. Auch Bodenbruten am Felsenfuß sind möglich.

Im Lahn-Dill-Kreis brütet der Uhu aktuell ausschließlich in Steinbrüchen. Die Braunfelser Gebäudebrut ist also eine Ausnahme, wobei die riesige, steinerne Schlosskulisse ganz sicher aus Uhuaugen einem wunderbaren Steinbruch mit sicheren Nischen gleicht, in die die Jungen nach Verlassen der Brutnische hinab springen sollten. Zudem sorgt ein Zaun für Sicherheit, ideale Voraussetzungen für den Nachwuchs also. Es war im Übrigen eine der von uns im Vorfeld vorausgesehenen und erhofften Brutplätze. Auch wohlmeinende Menschen können ein wenig durch Uhuaugen sehen und planen.

Die zweite Gebäudebrut 2009

Bereits im Februar war das Uhupärchen des vergangenen Jahres häufig am Schloss Braunfels anzutreffen. Gerne in altem Baumbestand, bei schlechtem Wetter auch in den geschützten, trockenen Fensternischen des Schlosses. Dass das Pärchen aber in einer Nische den Tageseinstand gemeinsam verbrachte, war die Ausnahme.

Insgesamt war die Balz in diesem Jahr, zumindest im Bereich des Schlosses, wesentlich weniger intensiv, vor allem leiser. Februar 2009:. Im Gegensatz zum Vorjahr waren die Uhus weniger „heimlich“. Ihre Anwesenheit wurde zwar weiterhin lautstark von Krähen und Dohlen begleitet, Attacken wurden jedoch während der gesamten Brutzeit nicht mehr beobachtet. Die Uhus hatten sich wohl größeren Respekt verschafft. Ende März 2009 zog sich das Uhuweibchen wieder in die gleiche Bruthöhle wie im vergangenen Jahr zurück. Da die Bruthöhle im hinteren Teil nicht einsehbar war, blieben die Beobachtungen zunächst wenig ergiebig.

Ab Ende April konnte man die Anwesenheit der Junguhus erahnen.

Ab Mitte Mai waren die beiden Junguhus gelegentlich in dem einsehbaren Bereich der Bruthöhle zu sehen. Bei Einbruch der Dämmerung begannen sie mit krächzenden Bettellauten die Uhumutter anzulocken. Später bettelten sie auch tagsüber.

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Imposante Aufnahme: Uhumännchen und Amsel auf dem Braunfelser Schloss.

Ende Mai rückten die Jungen immer weiter an den Höhlenrand vor. Während sich die Uhumutter letztes Jahr in dieser Phase fast ausschließlich bei den Jungen aufhielt, waren die Uhujungen dieses Jahr überwiegend alleine. Dies hatte sicher Einfluss auf ihre frühere und größere Selbstständigkeit. Die meiste Zeit hielt sich die Uhumutter tagsüber in den Bäumen in der Umgebung auf. Aus Sicherheitsgründen schloss das Weibchen während des Fütterns die Augen. Die Jungen zeigten sich in diesem Jahr wesentlich aggressiver der Mutter gegenüber, als die beiden im Vorjahr. Hauptnahrung waren wiederum zu vielleicht 80% erneut Igel, gefolgt von Tauben und Dohlen. Größere Tiere als diese wurden nicht verfüttert.

Im Juni sprangen die Jungen, noch flugunfähig, dann aus dem Nest. Einer marschierte gleich los und musste an einer öffentlichen Strasse eingefangen und in den geschützten Bereich zurückgebracht werden. Die Uhumutter musste nicht mehr, wie letztes Jahr, das Futter zerlegen und anreichen: Im Gegenteil, die Jungen haben sie nach der Futterabgabe aggressiv vertrieben. Öfters wurde beobachtet, dass die Mutter in Steinadlermanier das Futter nur noch vor die Jungen hinwarf und sich hernach in Sicherheit brachte Nach ca. 3 Wochen waren die Jungen flugfähig und begannen, die unmittelbare Gegend zu erkunden. Jetzt reiften auch die typischen „Federohren “ heran.  Die Junguhus erkundeten zunehmend ihre Region. Doch immer, wenn Sie sich begegneten, waren sie sehr herzlich und liebevoll miteinander. Das gleiche zärtliche Geschwisterverhältnis wurde auch im Vorjahr durchgängig beobachtet. Einmal war der geradezu synchrone und wunderbar lautlose Flug beider Junguhus zu sehen. Sie demonstrierten einer beeindruckten Anzahl von zufällig anwesenden Schloßbesuchern vom nordöstlichen Baumbestand des Schlosses aus kommend, gemeinsam ihre Flugkünste um die Türme des Schlosses herum in die Abendämmerung.

Mitte Juli kam der tragische Tod „unseres“ Uhumännchens bei einem nächtlichen Beuteflug an einem Strommast mit nicht isolierten Anschlüssen bei Laufdorf. Der tote Uhu wurde Luftlinie 4,6 km vom Schloss entfernt gefunden. Sofort besetzten die Junguhus die frei gewordene Lieblingsnische des verstorbenen Alttieres. Da das Uhumännchen zuvor exklusiv für die Nahrungsbeschaffung zuständig war, erschien die Prognose für die im Juli noch auf Fütterung angewiesenen Jungeulen zunächst ungewiss. Doch die üblichen abendlichen Bettelrufe änderten sich in der Intensität nicht: Das Uhuweibchen hatte sofort die Versorgung der Jungen vollständig übernommen. Bei Einbruch der Dämmerung verließen die Jungen ihren jeweiligen Tageseinstand und drehten zunächst ein paar Runden im Schlossbereich. Die Bettelrufe wurden immer lauter und gelegentlich konnte dann auch das Uhuweibchen gesichtet werden. Gegen Ende August konnte erstmals ein erfolgreicher Beuteflug eines Jungtieres von Bernd Rosenkranz am Schloss beobachtet werden. Das Erbeuten einer Dohle, die sich mit einem Fuß im Dach verharkt hatte, wirkte recht routiniert.

24. Juli: Oft waren die Jungen im Stadtbereich um den Marktplatz herum zu hören. Sie schienen der Uhumutter bettelnd zu folgen. Bei zunehmender Aktivität der anderen gefiederten Schlossbewohner verschwanden sie dann in die schützenden Bäume, wo sie ihre Ruhe hatten. Für ca. 2-3 Stunden wechselten sich jeweils dann Schlafphasen und gewisse Restaktivitäten ab.

19. September: Dann der nächste Schock: Erneut wurde ein toter Uhu, wohl ein größeres Weibchen, wieder an einem Strommast bei Braunfels-Altenkirchen gefunden, 5,5 km Luftlinie entfernt zum Schloss. Die Uhufederreste konnten nun erstmalig den Tod durch die fehlende Kabelisolation beweisen (per Fotografie) Hierdurch sind nicht nur die Uhus, sondern auch andere „Großvögel“, wie auch der im benachbarten Iserbachtal einfliegende Schwarzstorch, bedroht. Die Dokumentation der Totfunde wird hoffentlich kurzfristig Sicherungsmaßnahmen des Stromanbieters nach sich ziehen. Die Aktivitäten sind bereits eingeleitet in Zusammenarbeit mit Rudolf Fippl von HGON Lahn-Dill. Bereitschaft zur Abhilfe wurde vom Stromanbieter EON-Mitte zugesagt. Das Hessische Naturschutzgesetz sieht ohnehin seit längerer Zeit eine Entschärfung (Isolation) von Strommasten vor, die Großvögeln gefährlich werden können. Vordringliches Ziel der Naturschützer ist es zunächst alle Gefahrenpunkte im Aktionsgebiet der Braunfelser Uhus zu beseitigen. Die Arbeiten hierzu sind zügig begonnen worden und noch am Laufen Anfang 2011. In den zwei Wochen nach dem Totfund wurde kein Uhu mehr am Schloss beobachtet. Das Ende der Schlossuhubruten schien besiegelt. Doch Anfang Oktober tauchte „unser“ Uhuweibchen wieder am Schloss auf. Mit ihr wurde ein neues Uhumännchen gehört und gesichtet. Ist es der „Witwer“ des in Altenkirchen verstorbenen Weibchens? Die Braunfelser Gebäudebrut war für dieses Jahr wohl die einzige erfolgreiche Uhubrut im Kreis.

Im Herbst 2009 konnte die Herbstbalz bereits wieder (zaghaft) verhört werden.

Ab Mitte Februar 2010 setzte die Uhubalz wieder deutlich ein. Am 22. Februar 2010 etwa war zunächst, ab ca. 23. Uhr das dumpfe Buhoo des Männchens durch die ganze Stadt zu vernehmen – ab ca. 2.00 ertönte das klare Uhjuuh des Weibchens über eine Stunde.

Am 1. März 2010 rief das Männchen ab 19.30 und das Weibchen antwortete von oberhalb der ehemaligen Brutnische her ziemlich erregt mit Schnarren und bussardartigen Lauten.

8. März: Das Weibchen saß am Nachmittag in den Fichten vor dem ehemaligen Schloßcafe und begann ab 18.00 Uhr zu rufen. Sie flog dann ab ins Innere des Schlosses.
Trotz des geschilderten Balzgesanges kam es zu keiner Brut im Jahr 2010 im Schloß. Obwohl sich die Uhus immer mal wieder sehen liessen, gab es auch keine Herbstbalz – bislang deutet auch nichts in den folgenden Jahren bis heute – Februar 2013 – auf eine Wiederholung der Uhubruten hin. Jedoch sind immer wieder Uhus, vor allem Richtung Leun-Lahnbahnhof, um Braunfels zu verhören.

Text: Joachim Bernecke
Fotos: Dr. Siegmar Bergfeld
(viele weitere Uhubilder unter www.natursicht.de – Natur um Braunfels)